Mittwoch, 17. November 2010

On the road again

Letzten Mittwoch war ich mit Joannas Bruder auf einer Autoversteigerung im nicht so sehr beliebten Nachbarstaat Wisconsin. Auf einem riesigen Parkplatz standen beinahe 2'000 Autos zum Verkauf bereit. Und auch ein grosser Schwarm von Anbietern und Bietenden. Besonders beeindruckend sind die Versteigerer selbst. Wenn ich bisher dachte, dass die Inder ungekrönte Weltmeister im Schnellsprechen sind, dann habe ich mich getäuscht. Sie werden von eben diesen Versteigerern ohne Frage in den Schatten gestellt. Ich habe so ziemlich kein einziges Wort verstanden von ihren Anpreisungen, allein der Geschwindigkeit wegen. Unter den Käufern/Verkäufern befanden sich schon einige wilde Vögel, von denen einer meine besondere Aufmerksamkeit erregte: Ein älterer Herr, dem auf einer Seite das Ohr komplett fehlte. Dennoch trug er eine Brille, die trotz seiner Geschäftigkeit keine Anstalten machte, zu Boden zu fallen. Ob die Brille wohl festgeklebt war?

Kürzlich habe ich bei Amazon die 2. Staffel von Dexter bestellt, die an Joannas Adresse bei der Arbeit versendet werden sollte. Geschickt wie ich bin, habe ich die Adresse nicht komplett angegeben, so dass die DVD nicht geliefert werden konnte. UPS behält in solchen Fällen das Paket zur Selbstabholung zurück. Selbstabholung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man sich einen halben Tag reservieren sollte um sich auf die grosse Reise in das UBS Hauptquartier zu machen. Dieses liegt nämlich von uns aus zwar nicht ganz auf der anderen Stadtseite, aber auch nicht weit davon entfernt. Und Hauptquartier ist vielleicht auch etwas untertrieben, denn es handelt sich in Wirklichkeit wohl eher um ein kleines Dorf, das im Süden Chicagos liegt. Je näher ich meinem Ziel kam, desto höher war der Anteil der schwarzen Bevölkerung auf den Strassen.  Im letzten Bus war ich dann wohl der letzte verbleibende Weisse ;) Am Ziel angekommen, musste ich dann dem UPS Mitarbeiter den Aufbau eines Schweizer Führerscheins erklären, da mein Pass gemütlich daheim lag. Zum Glück nahm er mir das ab, denn ich bekam mein Paket schlussendlich doch ausgehändigt. Mit diesem Erfolg nahm ich die Stunde Rückreise gerne in Kauf.

Das zweite Highlight an diesem Tag war der Besuch im Apple Store. Begrüsst von einer Armada in blauen T-Shirts gekleideten Mitarbeitern fühlt man sich im Service-Paradies angekommen. Hat man allerdings eine Frage, dann sieht das schon ganz anders aus. Alle blauen Äpfelchen flüchten dann in eine Geschäftigkeit, die sie dann die nächsten kommenden Stunden zu beschäftigen scheint. Dafür gibt es dann ein Alternativprogramm. Wie an der Volkshochschule werden dort Kurse im oberen Stock des Ladens angeboten, bei denen man lernen kann, wie man seine Gitarrenkünste auf dem Macbook laden und bearbeiten kann. Sicherlich interessant, aber nicht für jeden brauchbar. Aber sicherlich auch ein geeigneter Zeitvertreib, während man auf den nächsten verfügbaren Mitarbeiter warten muss.

Die letzten Tage standen auch für uns im Zeichen der Kultur.  Joanna lud mich zu dem Theaterstück "Die Möwe" von Anton Tschechov im Goodman Theatre ein. Ein sehr gut gespieltes Stück, wenn auch ein wenig zu amerikanisiert dargestellt. Zwangsläufig musste ich mir die Frage stellen, ob sie eine solches Stück auch in Zeiten des kalten Krieges gespielt hätten. Wir hatten Plätze direkt vor der Bühne, was einem das Gefühl gab, mittendrin, statt nur dabei zu sein. Das zweite kulturelle Highlight war dann ein klassisches Konzert. Unsere Bekannte Samantha hat uns tolle Karten für eine Veranstaltung mit  Stücken von Chopin und Paderewski in der Newberry Library besorgt. Schön herausgeputzt durften wir auch Jan Lisiecki, einem 15-jährigen Wunderpianisten bewundern. Wir alle waren mehr als beeindruckt von seinem Klavierspiel, vor allem in seinem Alter. Es kann etwas ernüchternd wirken, wenn man sich überlegt, was man selber in dem Alter zu Wege gebracht hat ;) Einige Fauxpas'  bei der Veranstaltung lockerten die sonst eher förmliche Atmosphäre etwas auf: Versagen der Boxen, Wildes Umhergeklicke bei der Bildschirmpräsentation, Nichterscheinen des Hauptpreisträgers für den Maestro-Award, heisse Kämpfe am kalten Buffet, mit polnischen Köstlichkeiten und leckeren Früchten im Schokoladenmantel.

Anschliessend ging es dann noch in einen coolen Club:
http://www.stonelotuslounge.info/
Zwischen 11 und 12 Uhr nachts waren alle Wodka Getränke umsonst. Das war dann auch genau die Zeitspanne, die wir in dem Club verbrachten, wie auch ein Grossteil der anderen Gäste. Hier musste man sich dann fragen, wie ein solcher Club zu Geld kommt. Aber für die Gäste ist es toll! ;)

Da wir nur ein paar Schritte vom Lincoln Park entfernt wohnen, bin ich jetzt auch mal dort laufen gewesen. Es ist ein recht schöner Park mit einem Zoo und vielen freilaufenden Gänsen und wieder mal Eichhörnchen. Die Tierchen können wirklich verdammt schnell sein, vor allem wenn ein Hund hinter ihnen her ist. Es schien mir auch so, dass dieser Park die heimliche Brutstätte für sie ist, denn ich habe noch nie so viele auf einem Haufen gesehen. Über den Lincoln Park gibt es noch eine nette kleine Anekdote: In diesem Park genauso wie im Grant Park sollten bei Erbauung jeweils die Statuen der Namensgeber, der beiden früheren Präsidenten aufgestellt werden. Versehentlich hat man dann aber die Statuen jeweils in den falschen Park geliefert. Aus Bequemlichkeitsgründen wurde das auch nie korrigiert. Deshalb steht heute die Grant Statue im Lincoln Park und umgekehrt.

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